Baugeschichte des Hauses Spiegelgasse 2 (Antonsgasse 5), genannt
"das Zechgrübel"
a. Das ursprüngliche Hauerhäuschen (14. Jh.)
Das zum Zechgrübel gehörige Grundstück erstreckte sich
ursprünglich von der Antonsgasse bis zum Ring, umfaßte also
die heutigen Nummern Spiegelgasse 2 - 8. Heute noch bildet
der Eingang der Spiegelgasse mit dem Schanigartl des Reichsapfels
ein freundliches Plätzchen. Dieser Platzcharakter war früher noch
deutlicher betont, weil der Rest der Gasse unverbaut war und
auch der Vorgängerbau von Nr. 4 nicht in die Gasse vorsprang,
sondern die Fassade des Hauses Nr. 2 geradlinig fortführte.
Auf diesem Platzl stand der Brunnen, aus dem die
Bewohner der Wienervorstadt ihr Wasser schöpften. 1761 sollte
er vertieft werden, weil er in trockenen Jahren zu wenig
Wasser gab; dazu kam es aber nicht. Auf dem Plan von 1795
ist der Brunnen noch eingezeichnet; wann er aufgelassen
wurde, ist nicht bekannt.
Auch am oberen Ende weitete sich die Gasse zu einem
dreieckigen Plätzchen - erst 1904 wurde ein Teil der Spiegelgasse
und des Rings zum Grund des Hauses Spiegelgasse 8
geschlagen. Dieser kleine Platz mag zur Aufmarsch- und
Ladefläche des Friedhofes und des städtischen Holzlagerplatzes
gehört haben, die beide an der Ecke Welzergasse/Ring lagen.
An der unteren Ecke des Grundstückes wurde, vielleicht
gegen Ende des 14. Jahrhunderts, ein kleines Häuschen vom
Typ des fränkischen Bauernhauses errichtet, das mit der
Giebelseite zur Antonsgasse schaute (eine Mauerfuge und ein
Knick in der Fassade knapp vor dem zweiten Fenster der
Antonsgassenfront lassen das erkennen); in der Länge reichte
das Häuschen bis dorthin, wo heute das Haus Nr. 4 vorspringt.
Dieses älteste Zechgrübel war zur Gänze unterkellert
(der Keller ist bis heute erhalten, nur sein Gewölbe wurde im
18. Jahrhundert erneuert).
Die Fassaden des Hauses waren hellgelb gefärbelt, an
den Ecken war eine mächtige Quaderung in Kaisergelb aufgemalt,
um die Fenster lief ein Band mit roten Zickzackornamenten.
Machen wir nun einen kleinen Rundgang um das Häuschen:
Auf der Spiegelgassenseite dürfte die Fassade als Gartenmauer
geradlinig weitergegangen sein bis etwa zum Haustor des
heutigen Johannahofes (= Nr. 4) (Darauf deutet das Mauerstück,
das im kleinen Keller von Nr. 4 bis heute zu sehen ist: Es
besteht aus Bruchsteinen wie Nr. 2, und der Verputz zieht
sich unter den quer an~ebauten Mauern des Johannahofes durch.).
Etwa in Stockhöhe (interessanterweise nicht gleichhoch!) sehen
wir zwei Fenster mit spitzbogigem Abschluß.
In der Antonsgasse überrascht ein schmales
Parterrefensterchen mit unverhältnismäßig dicken Steingewänden;
gleich daneben ist das Haustor. Zwischen der Schmalseite des
Zechgrübels und dem Nachbarhaus Antonsgasse 7 beginnt
schon der Hausgarten, wohl durch einen Zaun von der Straße
abgetrennt. Auf dieser Seite steigt man von außen über einige
Stufen zur Kellertür hinunter. Über dieser führt eine hölzerne
Außenstiege zum Zugang in den ersten Stock. An der Rückseite
des Hauses geht eine Tür in den Garten (Der Ort des Zugangs
ist durch eine Vermauerung der Kellerwand bis heute erkennbar.
1989 wurde die Kellerstiege, die jahrzehntelang unter einer
Falltür im Hausflur lag, wieder an ihre alte Stelle zurückverlegt.
Zur Außenstiege vgl. das laut Aufschrift auf der Fassade 1378 erbaute
Haus Göschlgasse 29. - Seit damals ist das Straßenniveau um
fast 2 m gestiegen, sodaß die untere Hälfte der Hintertür
heute bis tief in den Keller reicht (liegt derzeit unter Putz).).
Im Inneren ist das Haus durch eine Querwand in zwei
Räume geteilt, deren rückwärtiger etwas größer ist.
b. Die erste Erweiterung (vor 1529?)
Bald wurde in dem kleinen Haus der Raum zu eng, und
es wurde in Richtung Antonsgasse 7 auf etwa die doppelte
Breite ausgebaut, sodaß es nun einen ungefähr quadratischen
Grundriß hatte (Daß die Fläche zwischen den beiden Häusern
nicht gleich zur Gänze verbaut wurde, läßt die Stärke der
Wand zwischen drittem und viertem Fenster vermuten, die
doch auf eine Außenwand deutet; auch ist zwischen drittem
und viertem Fenster wieder ein deutlicher Knick in der Fassade.).
Auch die Trennwand wurde durchgezogen, sodaß das Parterre
nun vier Räume umfaßte. Vielleicht waren die zwei rückwärtigen
Räume bereits damals durch eine Wand an der Stelle der
heutigen Flurwand geteilt; das Fundamentmauerwerk ist aber
durch die zahlreichen Umbauten zu sehr zerstört, um hier
noch sichere Aussagen treffen zu können.
Vielleicht bei diesem Anlaß wurde das ganze Haus mit
einer neuen Putzschicht versehen: Die Fassaden waren nun
dunkelgelb, die Quaderung in den Ecken entsprach in der
Ausführung der von Antonsgasse 7, war also weißlich-gelb
und zierlicher als zuvor. Damit läßt sich diese Bauphase ca.
1495 datieren, wie die Denkmalschutzexperten unseren Nachbarn
erklärten.
Das Eckzimmer mit dem Haustor diente zugleich als
Vorzimmer: Das kleine Guckerl neben dem Haustor wurde vermauert,
dafür wurde auf der anderen Seite ein etwas größeres
Fenster geöffnet. Auf der Fensterseite führte die nun ins
Innere des Hauses verlegte Stiege in den Stock hinauf; die
dort sichtbaren schmalen, besser zusammengepaßten Dippelbäume
lassen erkennen, daß dieses Stück der Decke erst später
eingezogen wurde. Unter der Stiege stellte eine Tür die Verbindung
zwischen altem und neuem Trakt her; den Rest dieser Tür stellt
der heute noch im Lokal sichtbare schmale Bogen dar.
In den Garten oder Hof gelangte man durch eine 170
cm breite Tür in der neuen Wand richtung Nachbarhaus. Die
Decke des neuen Traktes lag drei bis vier Ziegelscharen höher
als die des ursprünglichen Hauses, erst viel später wurde der
Niveauunterschied durch Hebung der Decke im alten Trakt
ausgeglichen (Der Bogen im Lokal war, wie die spätere
Vermauerung durch Ziegelwerk erkennen läßt, ursprünglich
um ca. 30 cm breiter. Die Gartentür lag unmittelbar an der
Gassenmauer, die Vermauerung in Bruchsteinmauerwerk war 1989
gut erkennbar; der alte Putz der Antonsgassenwand zieht sich
in die Vermauerung hinein. Die Hebung der Decke erfolgte im
Jahre 1872, vgl. Abschnitt g dieses Kapitels.).
Das dürfte der Zustand des Hauses zur Zeit der ersten
Türkenbelagerung gewesen sein, denn auf der ältesten Abbildung
Badens aus dem Jahr 1532 ist außerhalb des Wienertores
ein einziges kleines Haus zu erkennen, das nach Lage und
Aussehen sehr gut das Haus Spiegelgasse 2 sein könnte. Wenn
diese Annahme stimmt, ist auch die Dachform dieser zweiten
Bauphase geklärt: Es handelt sich um ein steiles,
pyramidenähnliches Dach.
Interessant ist auch ein dreieckiger Vorsprung, den das
Bild auf der Spiegelgassenseite zeigt: Vielleicht handelt es
sich um einen der im Mittelalter üblichen Stützpfeiler, der
später weggeräumt wurde (Kraupp, Josef und Walter Hermann:
Eine Ansicht der Stadt Baden bei Wien aus dem Jahre 1532, Baden 1926.
Auch die Verfasser lokalisieren dieses Häuschen "ungefähr
in der Gegend der heutigen Spiegelgasse" (S. 15). Zum
Aussehen vergleiche wieder Göschlgasse 29, bei dem ein Eck
und die Gartenmauer mit solchen Stützpfeilern versehen sind.).
c. Die zweite Erweiterung (ca. 1537?)
Bald nach der Aufnahme des oben erwähnten Bildes muß die verbleibende
Baulücke zum Haus Nr. 7 geschlossen worden sein, denn das kleine
Fensterchen im ersten Stock des Hauses Nr. 7 ist doch sicher
deshalb so seltsam ins Eck gerückt, weil auf die Fassade von Nr. 2
Rücksicht zu nehmen war. Da dieses Guckerl bis heute von der
uralten roten Putzschicht eingefaßt ist, die von Fachleuten in
gotische Zeit datiert wird, muß die Fassade in der heutigen Gestalt
spätestens in gotischer Zeit bereits existiert haben. Vielleicht
steht diese neuerliche Erweiterung in Verbindung mit einer
durchgreifenden Renovierung nach den Verwüstungen der Türkenzeit.
Aus dieser Zeit stammt vermutlich die dritte 1989 aufgedeckte
Putzschicht, ein strenges geometrisches Band/Flächenmuster in
Schwarz-Weiß, wie es dem damals eben aufkommenden
Renaissance-Geschmack entspricht; auf der Spiegelgassenseite
war eine neue Putzschicht offensichtlich nicht nötig, hier wurde
bloß die alte Färbelung übermalt.
Damals wurden die Kellerfenster des Hauses Antonsgasse 7 mit großen
Steinplatten verschlossen, nur am oberen Rand blieb ein Lüftungsschlitz
frei; das Erdgeschoß unseres Hauses umfaßte nunmehr sechs Zimmer;
der rückwärtige der beiden durch den Zubau gewonnenen Räume dürfte richtung
Hof offen gewesen sein, denn sonst wäre es unverständlich,
daß in der Seitenwand des Zubaus eine breite Nische ausgespart
wurde, um einen dieser Lüftungsschlitze zu erhalten;
dieser Raum wird wohl als Schupfen oder Wagenhütte verwendet worden sein.
Merkwürdig ist, daß diese Fenster nicht einfach mit Bruchsteinen vermauert,
sondern mit großen Platten verschlossen wurden, die doch bestimmt
nicht so einfach zu bekommen waren. Da drängt sich die Vermutung
auf, daß es sich um Material aus der Burg Baden handelte: Nach den
schweren Verwüstungen durch den Türkensturm hatte nämlich Kaiser
Ferdinand I. der Stadt Baden im Jahr 1537 das Gemäuer der zerstörten
Burg Baden als Steinbruch zum Wiederaufbau der Stadt geschenkt
(Hermann, Walter: Aus Badens Türkenzeit, in: Badener
Zeitung Jg. 50/1929, Nr. 28. Sollte das Haus in seiner
heutigen Gestalt wegen des Nachbarhauses früher zu datieren
sein, dann wäre der Wiederaufbau des Hauses unter Benützung
von Trümmern der Burg Baden als selbständige 4. Bauphase zu betrachten.).
Daß auch die Besitzer des Zechgrübels von dieser großzügigen
Geste profitierten, legt noch eine andere Beobachtung nahe:
Als im Jahre 1904 ein Stück der Gassenmauer dieses letzten
Zubaues ausgebrochen wurde, um Platz für die Auslage eines
Geschäftes zu gewinnen, kam nämlich ein riesiger Felsblock
zutage, der nach Bericht meiner Urgroßmutter und meines
Großvaters so groß war wie die ganze spätere Auslage, und das
war immerhin ca. 240 x 140 cm.
Im wesentlichen hatte also, wenn die Interpretation des
archäologischen Befundes zutreffend ist, das Zechgrübel in
den 1530erjahren seine heutige Gestalt erreicht. Freilich muß
es damals deutlich höher gewirkt haben, weil die Straße inzwischen
um fast zwei Meter aufgeschüttet wurde, sodaß das
Haus gewissermaßen in die Erde einsank; auch die vielen,
heute so freundlich und gemütlich wirkenden Fenster fehlten
noch: Auf der Antonsgassenseite z.B. gab es bis 1872 insgesamt
nur vier lukenähnliche Öffnungen von ca. 60 x 60 cm, je
zwei im Parterre und im ersten Stock. Der äußere Eindruck
des Zechgrübels muß damals streng, fast burgartig gewesen
sein.
d. Ausbau nach dem Brand von 1752
Nun haben wir fast zwei Jahrhunderte lang keinerlei
Hinweise auf Veränderungen im Baubestand des Zechgrübels;
auch über Ausmaß und Beseitigung der Zerstörungen des Jahres
1683 wissen wir nichts. Erst Mitte des 18. Jahrhunderts
gibt es eine interessante Beobachtung:
Es fällt nämlich auf, daß gerade im Jahr 1753 im Zechgrübel
kein einziger Mieter festzustellen ist, während vorher
regelmäßig eine Partei und seit 1771 eine große Anzahl davon
zu belegen sind. Wir können also annehmen, daß zwischen
diesen beiden Daten ein weiterer Zubau zum alten Haus erfolgte;
der Anlaß dafür wird wohl der Brand von 1752 gewesen sein.
Während der Bauarbeiten konnte natürlich keine Partei
aufgenommen werden.
Von diesem Zubau blieben die straßenseitigen Teile des
Hauses unberührt. Das läßt vermuten, daß vom Feuer nur der
rückwärtige Teil des Gebäudes betroffen war; im Mittelteil
dieses Traktes dürfte die Zerstörung ziemlich groß gewesen
sein, denn die älteste Seitenwand des ursprünglichen Hauses
wurde ab der mittleren Trennwand zur Gänze abgerissen.
Stattdessen wurden zwei neue Wände eingezogen, sodaß zwischen
den drei Zimmern der Rückseite ein Kabinett entstand.
Die eine dieser neuen Wände ist heute noch als Bogen im
Hausflur sichtbar, die andere ist nur durch einen Vorsprung
unter der Decke zu erkennen.
Wahrscheinlich damals wurde auch der Keller, der ursprünglich
nur eine sehr niedrige Dippelbaumdecke hatte, erhöht und mit
einem Ziegelgewölbe versehen, sodaß das Parterre wieder auf
einer Ebene mit dem inzwischen deutlich erhöhten Straßenniveau
lag; dafür nahm man in Kauf, daß die Parterreräumlichkeiten
sehr niedrig wurden (was sie bis heute, trotz teilweiser
Erhöhung der Decke, geblieben sind).
Die einschneidendste Veränderung war aber die Errichtung
des Vorgängerbaus des heutigen Johannahofes: Die
Spiegelgassenfassade des Zechgrübels ging ja damals in gerader
Linie als Gartenmauer weiter, bis sie am oberen Rand des
heutigen Haustors von Nr. 4 die derzeitige Baulinie erreichte;
sie wurde nun als Fassade des Zubaus adaptiert. Die Rückwand
des neuen Gebäudes bildete die Fortsetzung der einen
Kabinettwand und stand daher senkrecht zur Rückwand des
Zechgrübels (Der Anfang dieser beiden Wände ist im kleinen
Keller von Spiegelgasse 4 noch zu erkennen. Der gesamte
Fassadenverlauf ist auf Kolbes Plan von 1795 festgehalten.).
Der ursprüngliche Johannahof begann also
als sehr schmales Gebäude und wurde nach oben immer breiter;
ob die obere Hälfte des Johannahofes (ursprünglich eine
durchgehende, eingewölbte Halle) schon vorher bestand, zum
selben Anlaß errichtet oder erst später angefügt wurde, läßt
sich derzeit nicht feststellen. Bei der geringen Größe des alten
Hafnerhauses kann man jedoch durchaus vermuten, daß
schon früh eine Art Atelier für die Hafnerarbeiten existierte.
Die Mauerdicke des Neubaus läßt vermuten, daß er von
Anfang an zwei Stockwerke hatte; feststellen läßt sich ferner,
daß sich an die Rückwand des Neubaus im rechten Winkel
ein Hoftor anschloß, das die Rückwand des alten Hauses
durchbrach.
Durch diesen großen Zubau wurde der seit 1771 feststellbare,
aber wohl schon früher eingetretene Bevölkerungszuwachs
des Zechgrübels ermöglicht; vielleicht waren die
hohen Kosten und daraus resultierende Schulden, die Josef
Lanzenlechner sen. seinem Sohn hinterließ, mit ein Grund für
den Niedergang des Betriebs unter dem junior.
e. Neubau des Johannahofes 1844
Im Jahr 1840 gelangte Franz Graf in den Besitz des
Zechgrübels, ein überaus baufreudiger Hausbesitzer.
Was konnte ihm gelegener kommen
als 1842 die Beschwerde der Stadt, daß sein Brunnenwasser
auf die Straße fließe und sie verunreinige, und 1843
die ausdrückliche Anweisung, eine Senkgrube einzurichten;
Als dann 1844 die heutige Baulinie der Spiegelgasse festgelegt
wurde, die es ermöglichte, die untere Ecke des Hauses
Spiegelgasse 4 fast zwei Meter weit in die Straße hinein vorzurücken,
gab es für Franz Graf kein Halten mehr: Er ließ die
untere Hälfte dieses Hauses abbrechen und den Johannahof
in seiner heutigen Gestalt errichten. Freilich mußte er einen
Revers unterschreiben, daß er im Fall eines Umbaus von Spiegelgasse 2
ebensoweit von der Antonsgasse zurückrücken würde,
aber das störte ihn nicht im geringsten: Er rechnete,
wie sich später zeigen wird, fest mit der Vergeßlichkeit
der Gemeindeväter.
Graf rückte also mit der Front des Johannahofes weit
in die Spiegelgasse vor, die Rückwand jedoch konnte er
unverändert lassen, denn sie war ja von vornherein senkrecht
zum Zechgrübel gebaut worden, entsprach also der neuen
Baulinie. Trotzdem wurde das Haus auch nach hinten erweitert:
Im Abstand von 128 cm (= genau 4 Fuß!) wurde eine neue
Rückwand errichtet, sodaß ein Gang an der Rückseite des
Gebäudes gewonnen war.
Bei diesem Neubau wurde die Steigung der Spiegelgasse
radikal ausgeglichen: Die untere Ecke des Johannahofes mußte
dabei so stark aufgeschüttet bzw. gehoben werden, daß
man in dem dadurch entstandenen Keller aufrecht stehen
kann (wenn man nicht allzu groß ist). Vom Hausflur des Hauses
Nr. 2 aus konnte man den Neubau durch eine Tür mit unbequem
steilen Stufen erreichen (diese Tür ist heute noch als
Wandnische sichtbar).
Das alte Hoftor von Nr. 2 war nun überflüssig geworden:
Es führte ja jetzt nicht mehr in den Hof, sondern bloß in
den Zwischenraum zwischen alter und neuer Rückwand des
Johannahofes. Trotzdem wurde es nicht zur Gänze verschlossen,
sondern ein wenig enger gemacht, denn die Auflage der
Gemeinde (Anlage einer eigenen Senkgrube) wurde nun auf
originelle Weise erfüllt: Der Anfang des Zwischenraums zwischen
alter und neuer Rückwand des Johannahofes wurde als
WC (bzw. nur als C!) eingerichtet. Dieser Abort war von beiden
Seiten zugänglich, das läßt auf der Seite von Nr. 2 der schmale
Gewölbebogen erkennen, der nun neu eingezogen wurde,
auf der Seite von Nr. 4 der betonierte Zugang zu eben diesem
Abort. Wie die Anlage in der Praxis funktionierte, bleibe
dahingestellt: Mußte man vor Benützung zwei Türen verriegeln?
(Daß es sich wirklich um einen Abort handelt, läßt der
bis heute sichtbare Abfluß erkennen; der durch die
Erhöhung des Niveaus von Nr. 4 entstandene unterirdische
Raum wurde zudem mit Brettern ausgekleidet (Reste 1989 gefunden),
was ebenfalls auf eine spezielle Verwendung schliessen läßt ...)
Gab es dabei bisweilen unliebsame Überraschungen?
Die gemeinsame Senkgrube der beiden Häuser lag im
Hof von Nr. 2 - ein Gewölbebogen unter der neugebauten
Wand zeigt, wohin die Schätze flossen.
Auch der Forderung nach einem sauberen Brunnen- und
Regenwasserkanal wurde Rechnung getragen: Bis heute führt
eine Steinrinne, die mit massiven Platten abgedeckt ist, vom
Johannahof unter der Feuermauer durch in den Hof des Hauses Nr. 2
(dort sind die Steinplatten heute noch sichtbar);
dann geht der Kanal unter dem Haus Nr. 2 durch und mündet
in die Kanalisierung der Antonsgasse.
Der neugestaltete Hof wurde mit den Terrakottadekorationen
ausgestattet, die damals der letzte Schrei waren.
Ihre Reste wurden bei der Renovierung des Jahres 1989 im
ehemaligen - Abort gefunden! Sic transit gloria mundi!
f. Der böse Nachbar
Zwei Streiche verübte Franz Graf noch, bevor er 1862 das
alte Hafnerhaus verkaufen mußte:
Erstens "vergaß" er die Übereinkunft, die es ihm erlaubt
hatte, mit dem Johannahof so weit in die Spiegelgasse
hinauszurücken, und faßte den Plan, den Dachboden des alten
Hafnerhauses auszubauen (Da vom Dachboden des
Johannahofes eine heute vermauerte Tür in den
mißglückten Ausbau führt, müssen wir annehmen,
daß der Turm zu einer Zeit gebaut wurde, als
die beiden Häuser noch denselben Besitzer hatten. Dafür
kommen nur die Jahre 1844 - 1862 in Frage, denn in letzterem
Jahr verkaufte ja Graf das Haus Nr. 2. Meine Urgroßmutter
berichtete, daß der damalige Besitzer (den Namen wußte sie
nicht) den Vertrag von Anfang an mißachtete und gleich 1844
mit dem Ausbau des Dachbodens begann.).
Er begann auch gleich mit der Durchführung, wurde aber
offensichtlich sehr schnell an die auch im Grundbuch fixierte
Vereinbarung des Jahres 1844 erinnert, nach der er im Falle
eines Umbaues von Nr. 2 mit diesem Haus so weit von der
Antonsgasse zurückrücken hätte müssen, daß er fast die Hälfte
der Hausfläche verloren hätte. Der Ausbau wurde daraufhin
sofort eingestellt - nur das turmartige Gebilde, das schon
errichtet war, blieb stehen - "dem alten Hauer sein Narrenturm"
wurde es später mit Anspielung auf meinen Urgroßvater
genannt.
Durch den zweiten Streich entpuppte sich Franz Graf,
der sich schon als böser Onkel erwiesen hatte, nach dem
Verkauf des alten Hafnerhauses im Jahr 1862 auch als böser
Nachbar - wieder hat meine Tante Nora, geb. Hauer, das
Wort:
"Die Geschichte von der Feuermauer ist mir auch noch
gut in Erinnerung: Ursprünglich, sagte Oma, war da noch gar
keine. Es gab nur eine normal hohe Gartenmauer zwischen
dem Garten von Spiegelgasse Nr. 4 und unserem Hof. Hier (d.
h. im Hof von Nr. 2) aber befand sich der Brunnen, der beide
Häuser mit Wasser versorgte, und deshalb gab es auch eine
Tür in der Mauer, damit die von drüben leichten Zugang hatten.
Nun wollte einmal der Nachbar besagte Mauer zur Feuermauer
aufstocken, stieß jedoch mit diesem Wunsch beim
Brunnenbesitzer, dem die Mauer gehörte, auf Widerstand, und
so entwickelte sich ein Streit zwischen den beiden Hausbesitzern.
Schließlich wurde die Feuermauer gegen den Willen des
einen doch errichtet, und das erboste diesen so sehr,
"weu's eam d ganze Sunn weg gnumma hat", daß er auf schreckliche
Rache sann: Die untere Hälfte der Mauer gehörte ja ihm
und er konnte frei darüber verfügen. So ließ er die Türe darin
kurzerhand zumauern, um den bösen Nachbar vom lebensspendenden
Naß abzuschneiden. Zwar wurde er in der Folge
von Amts wegen dazu verhalten, den Nachbarsleuten den
Zutritt zum Wasser zu gestatten, doch konnte er immerhin
den Triumph genießen, daß diese nun einen erheblichen
Umweg in Kauf nehmen mußten".
Tatsächlich hatte der immer unternehmungslustige
Franz Graf 1865 im Johannahof einen neuen Seitentrakt errichtet,
der vom Nachbarhaus durch eine hohe Feuermauer getrennt wurde.
Allerdings hatte der Nachbar von Nr. 2 keinen Einwand
gegen die Errichtung dieser Mauer erhoben -
erst später dürfte ihm aufgegangen, wie dunkel und bedrohlich
sich die neue Mauer über dem kleinen Hof türmte.
Es ist durchaus möglich, daß der Besitzer von Nr. 2 dem
Nachbarn wirklich im Zorn die Tür zum Brunnen verschloß,
denn schon im Herbst desselben Jahres ließ Grafs Besitznachfolger
im Haus Nr. 4 einen neuen Brunnen graben - offenbar
war ihm der lange Umweg um beide Häuser herum zu dumm
geworden.
Dieser neue Brunnen scheint nun dem Brunnen des
Hauses Nr. 2 das Wasser genommen zu haben, denn 1872 mußte
auf Nr. 2 ein neuer Brunnen gegraben werden ... eine teure
Serie von Racheakten hatten sich die beiden Hausbesitzer da
einfallen lassen!
Der 1872 gegrabene Brunnen ist bis heute erhalten und
wurde 1988 um die über die Erde herausragenden Teile
ergänzt (Kommissionsprotokolle vom 21. VII. 1865, 27. X. 1865 und
27. II. 1872 (Bauamt Baden, Mappe Spiegelgasse 2).Vermutlich
handelte es sich dabei nur um eine Vertiefung des alten Brunnens.
Ein in den NÖN, Jg. 1988/Nr. 23, erschienener Artikel
mit Bild meldet irrtümlich, daß der Brunnen 600 Jahre alt sei,
was aber bestenfalls auf das Alter des Hauses zutreffen
kann. Auch die Angabe, daß sich in der Türkenzeit eine Frau
mit Kind in diesem Brunnen verborgen habe, ist irrig: Diese
Sage bezieht sich auf Frauengasse 10 (Magdalenenhof), vgl.
Maurer, Rudolf: Der Schwefelmann, Baden 1985, S. 136.).
g. Das Gasthaus zum Reichsapfel
Als Franz Graf das Stammhaus des Zechgrübels 1862 an
Josef Bauer verkaufte, waren die Tage des alten Hafnerbetriebs
gezählt. Bauer dürfte das Haus sogleich in ein Gasthaus
umgewandelt haben, schon 1863 beantragte er Umbauten in
seinem Schanklokal: Die Gasthaustür, die bis dahin an der
Stelle des ersten Fensters in der Antonsgasse gewesen war,
wurde nun an die heutige Stelle versetzt, an der vorher ein
Fenster gewesen war. Bei diesem Anlaß entdeckte die Baukommission,
daß im Hof, dort wo heute die Gasthausküche
ist, eine feuergefährliche Schupfen errichtet worden war;
diese wurde durch eine neue Schupfen mit Ziegeldeckung ersetzt;
1865 wurde das heutige Haustor anstelle eines Fensters
ausgebrochen, um einen Gassenladen errichten zu können.
Unter Gassenladen verstand man in jener Zeit chronischen
Platzmangels ein kleines Verkaufslokal, das nicht direkt von
der Gasse her, sondern erst von einem Hausflur oder Gang
aus zu betreten war. Nach Bericht meiner Urgroßmutter
verwendete es ein Schuster, wahrscheinlich die Partei, die auf
dem Dachboden wohnte!
Als Baden 1863 als erste österreichische Stadt ein eigenes
Gaswerk errichtete und die Straßenbeleuchtung auf Gas
umstellte, erhielt unser Haus die wunderschöne Laterne,
die auf alten Fotos noch zu sehen ist: Jeden Abend kam der
Laternanzünder mit seiner Leiter und setzte die Lampe in
Betrieb; in der Früh erschien er wieder, um sie zu löschen.
Gegen Ende des Ersten Weltkriegs gab es immer häufiger kein
Gas, sodaß meist nichts mehr zum Anzünden und Löschen da
war; und als irgendwann nach dem Krieg die elektrische
Beleuchtung eingeführt wurde, hatte die Idylle überhaupt ein
Ende.
Das Gasthaus war also vorläufig adaptiert; eine durchgreifende
Renovierung nahm erst der spätere Besitzer Leopold Bernauer
1872 vor: Damals wurden im ersten Stock alle
Decken gehoben; obwohl davon in den Akten nichts verlautet,
wurde wohl bei diesem Anlaß auch die ursprünglich niedrigere
Decke des Eckzimmers im Parterre gehoben und die Stiege
an die heutige Stelle verlegt. Für eine freundlichere Beleuchtung
sorgten die vier Fenster, die nun statt der bisherigen
zwei kleinen Luken ausgebrochen wurden; die Decke war zwar
noch immer relativ niedrig, aber dafür mit eleganten Stukkaturen
geziert, deren Umrisse z.T. bis heute zu erkennen sind.
Einige neue Kamine (darunter auch der schöne Schliefkamin
mit Selch und Wurstkessel im ersten Stock) sorgten für bessere
Beheizbarkeit des Gebäudes . Durch die neue Raumaufteilung,
die im wesentlichen der heutigen entspricht, konnte
der erste Stock im Bereich der vordersten drei Fenster als
durchgehender Tanzsaal eingerichtet werden.
1873 ersetzte mein Ururgroßvater Johann Mann die
Schupfen im Hof durch den Seitentrakt, in dem sich jetzt die
Wirtshausküche befindet, und damit war die Neugestaltung
des Hauses beendet, im wesentlichen war der heutige Bauzustand
erreicht.
Seit damals wurden nur noch kleinere Adaptierungen
vorgenommen:
1874 mußten auf Beschwerde der Eigentümerin des
Hauses Nr. 4 im neuen Hoftrakt einige Veränderungen
durchgeführt werden . 1876, kurz nach dem Tod meines
Ururgroßvaters, wurde die Spiegelgasse um fast 1 m aufgeschüttet,
sodaß das Haus, das bisher ebenerdig zu betreten gewesen
war, plötzlich vier Stufen tief in die Erde sank; die beiden
Außentüren mußten gehoben werden, was die eben des Vaters
beraubte Familie vorübergehend in finanzielle Schwierigkeiten
brachte. Eindrucksvoll pflegte meine Urgroßmutter zu
erzählen, wie sie sich in diesem Jahr hartnäckig weigerte, das
Zimmer mit dem Christbaum zu betreten: "Werdts sehn," sagte
die zehnjährige Poldi damals zu ihren Geschwistern, "heuer
kriegen wir nichts wie neue Patschen. Die Mutter hat ja ka
Göd net, und die Türstöck ham aa so vü kost ... es hat ja gar
kan Sinn einiz gehn, außer Patschen kriegen ma eh nichts ..."
Erst die Freudenschreie ihrer Geschwister lockten sie doch
zur Bescherung, und da hatte es auch für sie trotz allem für
ein kleines goldenes Armband mit Blumen aus Türkisen gereicht!
1889 wurde im ersten Stock ein neuer Rauchfang errichtet.
1891 wurde im Hof (rechts von der heutigen Kühlhaustür) ein
Pissoir gebaut, das erst in den 60erjahren wieder
abgerissen wurde; spätestens bei diesem Anlaß wurde etwa in
der Mitte des heutigen Gangls neben dem Stiegenhaus ein
Abort mit einer Sitzstelle errichtet, deren Kanal in die
Senkgrube im Hof mündete (Diesen Kanal hielten wir lange
Zeit für den sagenhaften unterirdischen Gang, bis eine
nähere Untersuchung im Rahmen der Renovierung 1988
die prosaische Wahrheit enthüllte.).
Es war auch wirklich schon an der Zeit, die mittelalterlich
anmutenden hygienischen Verhältnisse zu verbessern:
Meine Urgroßmutter erinnerte sich noch aus ihrer
frühen Kindheit an die Retirade im Hof; dieser primitive
Abort war ein Bretterhäuschen ohne Tür; die Eingangsöffnung
war diskret der Feuermauer zugekehrt, die Produktion
wurde in einer offenen Rinne quer durch den Hof in
die Senkgrube geleitet!
1902 wurde das Haus im Zug der Einrichtung der Badener
Wasserleitung an Wasser und Kanalisation angeschlossen.
Nun hatte auch die allmonatliche Idylle ein
Ende, an die sich mein Großvater noch erinnerte: Einmal im
Monat wurde nämlich die Senkgrube geleert; dazu legte man
einen armdicken Segeltuchschlauch durch den Hausflur bis
zur Straße, und mit einer Pumpe, die aussah wie eine alte
Feuerwehrpumpe, wurde das Ganze geleert. Die paradiesischen
Düfte, die dieser Akt der Hygiene hinterließ, konnten
empfindsame Nasen noch eine Woche lang im ganzen Haus
wahrnehmen ...
1904 wurde das an das Nachbarhaus Antonsgasse 7
stoßende Extrastüberl in ein Geschäftslokal umgewandelt,
das erst in den 70erjahren aufgelassen und wieder in den
Gasthausbereich einbezogen wurde.
1927 wurde neben der Wirtshaustür ein Fenster als Gassenschank geöffnet.
Den Krieg überstand das Haus relativ unbeschädigt: Nur
als am Ostermontag 1945 eine Bombe im Hof des Hauses
Antonsgasse 12 niederging, wurde durch den Luftdruck ein
grosser Teil der Schindeldeckung weggerissen; nach einer
provisorischen Reparatur mit Brettern und Teerpappe wurde das
Dach mit Eternit eingedeckt; die auf alten Fotos sichtbaren
Dachguckerln wurden damals entfernt.
In den letzten Kriegstagen wurde das Haus gründlich
geplündert und verwüstet, größeren Schäden durch langandauernde
Besetzung entging es aber, denn obwohl die übrige
Spiegelgasse bis 1955 von den Russen besetzt war - die Straße
war damals durch einen Schranken abgesperrt - , wurde der
Reichsapfel schon im August 1945 zurückgegeben, einfach
deshalb, weil die Besatzungsmacht ein funktionierendes
Wirtshaus wünschte.
Die Renovierung und Neueinrichtung, die mein Bruder
Gustl in den Jahren 1988/89 soweit wie möglich in Eigenregie
mit Hilfe von Freunden und Geschwistern durchführte, soll
hier nicht eigens beschrieben werden: Wer sich dafür interessiert,
ist herzlich eingeladen, sich an Ort und Stelle ein Bild
von dieser schönen Leistung zu machen!
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